Pflegeverbände warnen vor Folgen des Tarifabschlusses
Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst sorgt in der Pflegebranche für Unmut. Die angekündigten Lohnerhöhungen und Zusatzleistungen wie die Erhöhung der Schichtzulagen und ein zusätzlicher Urlaubstag stellen die Pflegeeinrichtungen vor große finanzielle Herausforderungen, da die Mehrkosten so schnell und einfach nicht refinanziert werden können. Vertreter der Altenpflege warnen daher vor einer weiteren Verschärfung der ohnehin angespannten Situation. Einzig der Verband der Kommunalen findet den Abschluss rundum gut.

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Pflege wird mit dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst noch einmal deutlich teurer
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"Auch wenn die vereinbarte Lohnsteigerung unterhalb des Lohnanstiegs in der Altenpflege der letzten Jahre liegt, werden mit den deutlichen Erhöhungen bei den Schichtzulagen enorme finanzielle Herausforderungen auf die Pflegeunternehmen zukommen", sagt Gesa von dem Bussche, Geschäftsführerin des BPA Arbeitgeberverbands. "Zudem wird die Erhöhung der Anzahl der Urlaubstage, die Personalengpässe in der Altenpflege und die schon heute schwierige Versorgungssituation von Pflegebedürftigen weiter verschärfen."
Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege, bläst ins gleiche Horn. Das Ergebnis bedeute, dass die Pflege in kommunalen Pflegeunternehmen teurer werde, aber nicht nur dort, weil viele Pflegeunternehmen den Tarifvertrag anwenden. "Die vereinbarte Lohnerhöhung um 3 Prozent ab April setzt jedoch diese Unternehmen massiv unter Druck, denn so schnell wird sich kein Verhandlungstermin mit den Pflegekassen und Sozialhilfeträgern finden, um die Vergütungsvereinbarung anzupassen", so Halletz. "Das bedeutet, die vielerorts eh schon belasteten Pflegeunternehmen müssen irgendwie diese Zusatzkosten gegenfinanzieren, im schlimmsten Fall sogar teure Kredite aufnehmen."
Das Tarifergebnis im Öffentlichen Dienst hat auch für die Tarifgestaltung in der Diakonie direkte Auswirkungen, erklärt Max Mälzer, Hauptgeschäftsführer des Verbands diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD). In einigen Regionen werden die Ergebnisse direkt übernommen. "Die vereinbarten Entgeltsteigerungen von insgesamt 5,8 Prozent erscheinen moderater, als sie tatsächlich sind: Vor allem die Erhöhungen der Schicht- und Wechselschichtzulagen um bis zu 150 Prozent haben direkte und erhebliche Kosten-Auswirkungen – dies bedeutet eine weitere Ausgabensteigerung von wahrscheinlich etwa 2 Prozent."
Durch die Kostensteigerung nehme der Druck auf die Pflegeunternehmen weiter zu, der sich "durch eine hohe Anzahl an gegenwärtigen Insolvenzen in der Pflegebranche bereits bemerkbar macht", sagt Andrea Kapp, Geschäftsführerin des Bundesverbands Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen (BAD). "Bei einer Fortführung der bisher gängigen Praxis der Kostenträger, erhöhte Personalkosten nur teilweise und zeitlich erheblich verzögert zu refinanzieren, ist eine flächendeckende pflegerische Versorgung massiv gefährdet." Die zukünftigen Regierungsparteien müssten dafür Sorge tragen, dass Vergütungsverhandlungen und die damit einhergehende auskömmliche Refinanzierung "zügig, vollständig und rechtssicher durchgeführt werden".
Komplette Zustimmung findet der Tarifabschluss bei Alexander Schraml, Vorsitzender des Bundesverbandes der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB). "Wir begrüßen den Tarifabschluss sehr", sagt Schraml. "Die Tarifsteigerung erachten wir als angemessen... Auch der Erhöhung der Schichtzulagen ist zuzustimmen, nachdem sich der Gesetzgeber bisher nicht auf eine Steuerbegünstigung für diese Gehaltsbestandteile einigen konnte." Der zusätzliche Urlaubstag wird seiner Meinung nach "nicht besonders ins Gewicht fallen". Nur die Differenzierung bei der Jahressonderzahlung findet Schraml problematisch, weil sie zu Unmut und Streit zwischen Pflegekräften und den anderen Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen führen werde.
Thomas Hartung