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6. Dezember 2024 | 07:00 Uhr
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Wie können Pflegeheime wieder Geld verdienen, Herr Grabow?

Ja, die wirtschaftliche Lage ist vertrackt. Doch es gibt bisher kaum betretene Pfade, die Pflegeheime aus der Krise herausführen könnten, meint Jan Grabow (Foto), der beim Wirtschaftsprüfer Curacon den Bereich Altenpflege verantwortet. Im Interview mit Care vor9 empfiehlt er Pflegeanbietern unter anderem, ihr Geschäftsfeld zu erweitern, mit anderen Einrichtungen zu kooperieren und die Energieeffizienz, Personalplanung sowie das Einstufungsmanagement unter die Lupe zu nehmen.

Jan Grabow ist Geschäftsführender Partner bei dem Wirtschaftsprüfer Curacon

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Eigentlich ist die Situation der Altenpflege doch paradox: Die Nachfrage ist so groß wie nie zuvor, aber die wirtschaftliche Situation der Anbieter so schlecht wie nie zuvor. Das gibt es sonst in keinem anderen Wirtschaftszweig. Wie würden Sie einem Außenstehenden das Problem in wenigen Sätzen erklären?

Ausgangspunkt ist der Fachkräftemangel. Die Anbieter sind häufig zu Leistungseinschränkungen gezwungen, die kein positives Betriebsergebnis zulassen. Die Personal- und Sachkosten haben Fixkostencharakter und lassen sich kurzfristig nicht entsprechend zu dem Erlösrückgang aufgrund des Leistungsrückgangs anpassen. Ein weiterer Problemkreis liegt in einer unvollständigen oder zeitlich verzögerten Abbildung von Kostensteigerungen in den Pflegesätzen. Und die Kostenträger tragen auch zur Verschärfung von Liquiditätsengpässen bei: als Hauptursache von Insolvenzen durch die bürokratischen und papierbasierten Abrechnungsverfahren mit unverhältnismäßig langen Bearbeitungszeiten.

Ein Systemfehler besteht auch darin, dass keine Anreize für effizientes Verhalten bestehen: Wenn ein Betreiber beispielsweise ohne angemessene Refinanzierung in Photovoltaik-Anlagen oder in Digitalisierung investiert, dann kommen ihm die Einspareffekte, die durch seine Investition entstehen, nicht zugute. Der Träger muss in der Verhandlung mit den Kostenträgern die 'Hosen runterlassen' und über alle anerkennungsfähigen Kosten detailliert Auskunft geben. Auf diese Weise werden ihm bei einer kostenbasierten Vergütungssystematik Einspareffekte wieder weggenommen. So besteht kein Anreiz zu effizientem Verhalten.

Wie findet ein Träger, der unter Personalmangel leidet und seine Plätze reduzieren muss, aus dieser Situation heraus? Aus einer Situation, in der er im Grunde nur noch reagiert, aber nicht mehr wirklich agiert?        

Das Hauptrisiko liegt aktuell in der Entwicklung der Auslastung und der Betriebskosten. Gehen wir einmal von einem mittelgroßen Träger mit zehn Einrichtungen aus: Von denen haben laut unserer Analyse etwa 60 Prozent Verluste gemacht; da ist erst einmal eine Bestandsaufnahme wichtig, um die wirtschaftliche Situation zu stabilisieren: Was sind die Ursachen der Verluste? Welche Ursachen hat eine geringe Auslastung? Ist die Leistungseinschränkung oder Inanspruchnahme von Fremdpersonal das kleinere Übel? Passen die Erlöse zu den Kosten und umgekehrt? Welche Auffälligkeiten zeigen sich in meinen Kennzahlen? Sind die Overheadkosten angemessen? An welchen Schrauben kann ich drehen?

Wir beobachten immer wieder, dass auch das Einstufungsmanagement ein Problem sein kann, weil schlecht dokumentiert wird. Dann hat der Bewohner Pflegegrad 3, obwohl der Pflegeaufwand möglicherweise Grad 4 entspricht. In solch einem Fall muss möglicherweise auch die Personalsteuerung stärker an der Kompetenz und am Unterstützungsbedarf ausgerichtet werden. Weitere Fragen, die zur Bestandsaufnahme zählen: Wie kann ich die Energiekosten senken? Welche Ansatzpunkte finden sich für verhaltensorientierte Maßnahmen – ohne Investitionen? Der größte Hebel zur Reduzierung der Energiekosten liegt häufig bei energetisch ineffizienten Immobilien. 

Was raten Sie Betreibern von energetisch ineffizienten Immobilien?

Sofern die Immobilie nicht im Eigentum des Betreibers steht, ist es wichtig, das Gespräch mit dem Immobilieneigentümer zu suchen, um gemeinsam mögliche Modernisierungsmaßnahmen zu identifizieren. Dabei sollten auch die potenziellen Einsparungen und Vorteile für den Eigentümer klar kommuniziert werden.

Zudem ist entscheidend, die Miet- beziehungsweise Pachtverträge und rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. So stellt man sicher, dass Investitionen in energetische Maßnahmen sowohl für den Betreiber als auch für den Eigentümer wirtschaftlich sinnvoll sind. Schließlich könnten auch staatliche Förderprogramme und Anreize in Betracht gezogen werden, um die Rentabilität solcher Investitionen zu erhöhen. Letztlich ist der Gesetzgeber gefordert, für Investitionen zur energetischen Transformation einen verbindlichen Refinanzierungsanspruch zu schaffen.

Auslastung, Overhead-Kosten, Einstufungsmanagement, Energieeffizienz – gibt es außerdem Aspekte, die für eine erste Problemanalyse wichtig sind? 

Abschließend kommt man zu den grundsätzlicheren Fragen, ob die Optimierungspotenziale im bestehenden Setting zur Zukunftssicherung ausreichen. Alternativen können darin bestehen, organisch zu wachsen oder sich mit anderen zusammenzutun.

Teil 2 des Interviews mit Curacon-Chef Jan Grabow zu den strategischen Optionen von Pflegeheimen lesen Sie am Montag.

Zahlen und Analysen zur aktuellen Situation der Pflegeanbieter in Deutschland finden Sie im Report "Status quo: Pflege in Deutschland" (Oktober 2024) von Curacon in Kooperation mit dem Dienstleister für Gewerbeimmobilien CBRE  Deutschland. 

Das Interview führte Kirsten Gaede

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