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5. April 2024 | 07:00 Uhr
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Pilotprojekt Vier-Tage-Woche wackelt schon vor dem Start

Der Modellversuch der Stadt Frankfurt einer Vier-Tage-Woche für Pflegekräfte bei vollem Lohnausgleich steht schon vor dem Start auf der Kippe. Die Stadtverordneten hatten Mitte vergangenen Jahres beschlossen, in einer Frankfurter Pflegeeinrichtung die Vier-Tage-Woche mit 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich zu testen. Die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände Frankfurt hat sich eingehend mit der Machbarkeit auseinandergesetzt und erteilt dem Pilotprojekt in einer Stellungnahme an den Magistrat eine deutliche Abfuhr.

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Die schöne Idee von der Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich ist für Praktiker nicht machbar

Über die Ziele herrscht noch Einigkeit: Der Pflegeberuf soll aufgewertet und attraktiver werden. Zudem hofft die Stadt, dass durch bessere Arbeitsbedingungen ausgeschiedene Pflegefachkräfte zurückgewonnen werden können. Das sei grundsätzlich zu begrüßen, so Liga der Freien Wohlfahrtsverbände Frankfurt, in der AWO, Caritas, Diakonie, der Paritätische und die Jüdische Gemeinde aktiv sind. Das war's dann aber auch schon an Zustimmung.

Keine Akzeptanz für Beschränkung auf Pflegekräfte

In einer 14-seitigen Stellungnahme, die Care vor9 vorliegt, zerpflücken die Praktiker die schöne Idee. Das beginnt mit dem Personenkreis, der profitieren soll. Den Stadtverordneten ging es um die Mitarbeiter in der Pflege, doch in einer Pflegeeinrichtung gibt es diese homogene Gruppe nicht. Dort arbeiten Menschen in der Hauswirtschaft, der Verwaltung, der Betreuung und der Pflege. Außerdem ist unklar, ob Leitungskräfte einbezogen werden sollen. 

"Die Fokussierung auf die Zielgruppe Pflege ist aus unserer Sicht daher nicht nur nicht zielführend, sondern kontraproduktiv", heißt es in dem Papier an den Frankfurter Magistrat. Und weiter: "Es fällt uns schwer, uns eine Argumentation und Kommunikation vorzustellen, die bei den nicht einbezogenen Mitarbeitenden zu einer Akzeptanz des Modellprojektes führen könnte."

18 Prozent Gehaltserhöhung für Auserwählte nicht vermittelbar

Im Öffentlichen Dienst würde die Vier-Tage-Woche mit 32 Stunden beim bisherigen Lohn für die Pflegekräfte eine Gehaltssteigerung von 18 Prozent bedeuten. Weil die Löhne der anderen Beschäftigten in den Pflegeeinrichtungen nicht steigen, würde sich die Gehaltsstruktur in dem Betrieb deutlich verschieben. Eine Pflegefachkraft käme dann an den Stundenlohn einer Hausleitung heran. Und zwischen Hilfskräften in der Pflege und der Hausreinigung gäbe es dann Gehaltsunterschied von bis zu 1.000 Euro pro Monat. 

"Diese Gruppe von Mitarbeitenden ist ebenfalls psychisch und physisch belastet", so die Experten. Und sie seien gleichzeitig wichtige Kontaktpersonen für die Pflegebedürftigen und müssten täglich, wie die Pflegekräfte auch, mit Menschen mit Demenz und psychisch erkrankten Bewohner zurechtkommen. "Mit welcher Begründung sollte diese Gruppe von Mitarbeitenden nicht im Rahmen des Modellprojektes begünstigt werden?", fragt die Liga. Das sei nicht vermittelbar.

Ein Viertel mehr Pflegepersonal lässt Kosten explodieren

Rein rechnerisch liegt der Mehrbedarf an Personal durch die Reduzierung der Arbeitszeit laut Liga bei 18 Prozent. Weil in den stationären Einrichtungen jedoch in Schichten gearbeitet werde und diese besetzt werden müssten, brauche man 25 Prozent mehr Pflegekräfte, rechnen die Wohlfahrtsverbände vor. Diese zu finden, erscheine in der aktuellen Situation illusorisch. "Pflege- und Betreuungstätigkeiten sind nicht beliebig verschiebbar. Sie können nur dann erbracht werden, wenn die Bewohner die Unterstützung benötigen", erklären die Experten die Notwendigkeit.

Die Liga rechnet zudem vor, dass die Mehrkosten durch die Vier-Tage-Woche für Pflegekräfte pro Pflegeplatz bei jährlich 7.800 Euro liegen würden. Das bedeute für die Bewohner oder die Sozialhilfeträger jeden Monat 650 Euro mehr als heute. Wenn nicht nur die Pflegekräfte einbezogen würden, sondern alle Beschäftigten einer Einrichtung, dann würden sich die Mehrkosten verdoppeln.

Thomas Hartung

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