Warum Zeitungsrunden im Pflegeheim keine gute Idee sind
Morgendliche Zeitungsrunden sind in manchen Pflegeheimen recht beliebt. Doch die Expertin für Aktivierung und Betreuung, Monika Hammerla, rät dringend davon ab. Gerade bei Demenzkranken wirke das Zeitung vorlesen oft kontraproduktiv. Gerade im Frühjahr seien Spaziergänge, Frühblüher beobachten oder gemeinsames Blättern in Zeitschriften wie Landlust die bessere Alternative.

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Führungskräfte müssen sicherstellen, dass Betreuungskräfte wissen, welche Aktivtäten für Bewohner empfehlenswert sind und welche nicht
"Als Expertin für Aktivierung und Betreuung bekomme ich viele Pflegeheime zu sehen und bin erstaunt, wie sehr sich dort die morgendlichen Zeitungsrunden etabliert haben. Da kommen alle Bewohnerinnen und Bewohner im großen Gemeinschaftsraum zusammen, ganz unabhängig von ihrer kognitiven Verfassung, und die Betreuungskraft liest aus der Zeitung vor. Welchen Sinn soll das haben?", fragt Hammerla. Die geistig fitten Bewohner seien selbst in der Lage, Zeitung zu lesen oder sich im Radio oder Fernsehen zu informieren, kognitiv eingeschränkte Bewohner wiederum könnten nicht folgen. "Keiner hat etwas von dieser Veranstaltung, es ist reine Verwahrung", sagt die Autorin des Buches Qualitätsmerkmal Beziehung.
Gewisse Wortefetzen erreichten die Bewohner mit Demenz aber doch. Wortfetzen, die sie in Zeiten des Kriegs in der Ukraine und in Gaza, in Panik versetzen könnten: Bomben, Panzer, Luftangriff, Flucht und so weiter und so fort. "Bei Menschen mit Demenz braucht es nur eine kurze Äußerung oder ein Foto, schon rutschen sie wieder in die Situation von früher rein. Sie besitzen keinen Filter, bekommen Angst, fangen an zu schreien. Bei ihnen ist deshalb erhöhte Achtsamkeit gefragt, ich darf bestimmte Themen einfach nicht ansprechen", sagt Hammerla.
Auch Fernsehen ist für Menschen mit Demenz nicht geeignet
So könnten die unglückseligen Zeitungsrunden viel Schaden anrichten. "Gleiches gilt natürlich, wenn in Demenz-Bereichen die ganze Zeit der Fernseher läuft. So etwas kann man einfach nicht machen", so die gerontopsychiatrische Fachkraft. "Fernsehen ist übrigens grundsätzlich kontraindiziert bei einer fortgeschrittenen Demenz. Menschen mit Demenz können die schnelle Bilderfolge gar nicht richtig erfassen und die Geräuschkulisse macht ihnen Angst, sie sind sehr lärmempfindlich. In der Fachliteratur ist das alles ausgiebig beschrieben."
Was Menschen mit Demenz brauchten, ist liebevolle, gleichförmige Anregung. Jahreszeitliche Themen eigneten sich gerade jetzt zum Frühlingsbeginn. Man könnte Frühblüher präsentieren, in den Garten gehen, sich Bildbände mit Gärten anschauen oder Zeitschriften wie Landlust. "Wenn das Wetter schön ist, könnte man auch im 20-Minutentakt mit den Bewohnern rausgehen. Zu viel Arbeit? Ich sehe das so: Die kleinen Spaziergänge beruhigen, geben Anregung, fördern guten Schlaf und sind gut für Knochen und Gemüt."
Kirsten Gaede