"Unrealistische Auslastungsquoten" mitschuld an Schließungen
Auf der Suche nach Ursachen für die wirtschaftlichen Probleme vieler Pflegeheime hat der Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB) die "völlig unrealistischen Auslastungsquoten mehr als 95 Prozent" ausgemacht, sagt dessen Vorsitzender Alexander Schraml (Foto). Diese Quoten würden in den Pflegesatzverbandlungen von den Kostenträgern verlangt und auch durchgesetzt.
Telematikinfrastruktur: Eine Branche unter Druck
Die Pflegebranche steht unter großem Druck: Personalmangel, Tariflohnbindung und wachsende Anforderungen erschweren den Alltag vieler Pflegedienste. In dieser Situation könnte die Telematikinfrastruktur (TI) den entscheidenden Unterschied machen, um den Arbeitsalltag zu erleichtern und die Versorgungsqualität zu verbessern. Allerdings ist der Weg dorthin anspruchsvoll – und die damit verbundenen Anforderungen dürfen keinesfalls unterschätzt werden. Care vor9
Die seit Jahren eingespielte Systematik gerate mehr und mehr aus den Fugen und bedrohe auch freigemeinnützige und kommunale Träger ihrer Gemeinnützigkeit mit der Schließung, so Schraml. Bei einem Heim mit zum Beispiel 100 Pflegeplätzen werde davon ausgegangen, dass durchschnittlich 95 Plätze belegt sind. In der Verhandlung würden dann in das Heimentgelt (Preis pro Platz) die variablen Kosten sowie anteilig die Fixkosten eingerechnet. Im Ergebnis müssten die Einnahmen von 95 Bewohnern die Gesamtkosten decken. Doch diese Theorie funktioniere nicht mehr. "Mittlerweile sind die Pflegeheime im Schnitt nur noch zu 90 ausgelastet", sagt Schraml.
Fixkosten bei niedrigerer Auslastung nicht zu decken
Der Mangel an Pflegekräften führe dazu, dass Heimplätze nicht belegt werden könnten, in der Folge sinke die Auslastungsquote. "Um weiterhin den Mindest-Gesamtumsatz zu erzielen, müsste in der Formel die Zahl 95 gesenkt und das Heimentgelt erhöht werden", rechnet der BKSB vor. Da die Kostenträger aber weiterhin mit 95 Prozent arbeiteten, könnten die Fixkosten in den Pflegeheimen nicht mehr gedeckt werden, massive Verluste seien vorprogrammiert. Die kommunalen Betreiber fordern daher eine bundesgesetzliche Verpflichtung zur zeitnahen Anpassung an die tatsächliche Auslastung.
Sofortiges Ende des Heimvertrags nach Tod belastet alle
Das Belegungsmanagement stehe noch aus einem anderen Grund unter Druck. Die gesetzliche Regel im Sozialgesetzbuch SGB XI, wonach der Heimvertrag mit dem Tod des Bewohners ende, müsse dringend geändert werden, so der BKSB. Die rechtliche Folge des Paragraphen sei derzeit, dass der Heimplatz von den Angehörigen sofort nach dem Tod des Heimbewohners geräumt werden müsse. Dies werde weder den moralischen Anforderungen der Pietät gerecht noch sei es in der Realität umzusetzen. Hier bedürfe es einer Auslauffrist für den Heimvertrag, so dass sich Angehörige würdevoll verabschieden und in Ruhe den Heimplatz räumen könnten. Eine solche Übergangszeit koste allerdings das Pflegeheim im Durchschnitt zwei Prozent der Auslastung.
Der BKSB vertritt die Interessen kommunaler Senioren und Behinderteneinrichtungen. Ihm gehören derzeit 77 Träger mit über 440 Einrichtungen an.