"Aus dem Reformpapier spricht pure Hilf- und Ratlosigkeit"
Die Kritik am Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach zur Pflege reißt nicht ab. Vertreter der Betreiber und Träger von Pflegeeinrichtungen lassen kein gutes Wort an dem Papier. Armutszeugnis und Kosmetik nennen einige das Vorhaben. Finanz- und Gesundheitsminister stecken den Kopf in den Sand und machen sich einen schlanken Fuß, so der Vorwurf. Kein Problem der Pflege werde durch das Gesetz gelöst oder auch nur angegangen.
"Angesicht der Herausforderungen stehen wir fassungslos vor dem Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums. Aus ihm spricht die pure Hilf- und Ratlosigkeit", sagt Thomas Knieling, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB). Er nennt das Papier ein "politisches Armutszeugnis der Hilf- und Ratlosigkeit". Eine grundlegende Strukturreform der Pflege sei überfällig. "Pflegebedürftige sehen sich mit explodierenden Kosten konfrontiert, Pflegeeinrichtungen müssen um ihren wirtschaftlichen Fortbestand bangen und die Pflegeversicherung schreibt ein Rekorddefizit", so der VDAB-Chef. Der Gesetzentwurf werde das nicht ändern. "Professionelle Pflege wird nicht unterstützt und der Versicherte auch nicht nachhaltig entlastet", so Knieling.
"Verbesserungen sind nichts als Kosmetik"
Bernhard Schneider, Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, sieht den schwarzen Peter bei Christian Lindner. "Der Finanzminister verweigert die im Koalitionsvertrag zugesagten Pflegemilliarden und zwingt den Gesundheitsminister zu einer Minireform, mit der es allenfalls kleine kosmetische Korrekturen geben soll." Dabei warteten fünf Millionen Pflegebedürftige und 1,2 Millionen Beschäftigte auf die dringend notwendige Struktur- und Finanzreform. Die angekündigten Verbesserungen seien nichts als Kosmetik, die viel Arbeit und Bürokratie verursachten, ohne das eigentliche Problem zu lösen. Damit machten sich Finanzminister und Gesundheitsminister "einen schlanken Fuß – verantwortliche Politik sieht anders aus".
"Der Reformansatz fehlt"
"Im Referentenentwurf fehlt der Reformansatz, die Pflege steuerfinanziert zu unterstützen", moniert auch der Verband katholischer Altenhilfe (VKAD). "Anreiz für gesellschaftliche Solidarität lässt dieser Entwurf nicht erkennen", sagt die VKAD-Vorstandsvorsitzende Eva-Maria Güthoff. "Das Bundesgesundheitsministerium macht es sich mit dem Gesetzentwurf zu einfach. Anstatt die Pflegeeinrichtungen zu stärken, werden pflegende Angehörige in die Pflicht genommen." Angesichts der dramatischen Lage in der Langzeitpflege mit unbelegten Plätzen, abgesagten oder reduzierten Touren im ambulanten Dienst und unattraktiven Regelungen bei alternativen Wohnformen sei das nicht nachvollziehbar.
"Das gefährdet die Versorgungssicherheit
"Der jetzige Referentenentwurf dient vor allem der kurzfristigen Rettung der Finanzen der Pflegeversicherung", sagt Pflegeratspräsidentin Christine Vogler. "Eine wirkliche, zeitnah erforderliche Strukturreform der Pflegeversicherung steht nach wie vor aus." Der Referentenentwurfs lenke von der im Koalitionsvertrag festgelegten Harmonisierung durch ein bundeseinheitliches Berufsgesetz für Pflegeassistenz ab und enthalte stattdessen eine umfassende Lockerung der beruflichen Qualifikationen für Pflegehilfskraftpersonal. "Das gefährdet die Versorgungssicherheit", sagt Vogler.