"Bei zu dreisten Forderungen sollten wir Bewerbern absagen"
Pflegeunternehmen sind um Arbeitgeberattraktivität bemüht wie nie zuvor. Das treibe Blüten auf Seiten der Bewerber, meint der Chef der Evangelische Dienste Duisburg. Laptop, Auto, nur Frühdienst und freie Wochenende – mit all diesen Forderungen sei er schon konfrontiert worden. Nun sagt Ulrich Christofczik: "Den Wahnsinn mache ich nicht mehr mit." Im Gespräch mit Care vor9 erklärt er, warum er die Entscheidung für vernünftig hält.
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iStock/Khosrork
Wer zu viele Extra-Wünsche durchsetzen möchte, beeinträchtigt das Betriebsklima, meint der Chef der Evangelische Dienste Duisburg
Seit ungefähr acht Jahren beobachtet Christofczik eine extreme Anspruchshaltung unter Bewerbern. Er meine damit nicht ein selbstbewusstes Auftreten und die Überzeugung, dass man etwas kann und dafür auch entsprechend entlohnt werden möchte, sagt er. "Ich meine eine wirklich überzogene Anspruchshaltung mit Forderungen wie: Dienst nur von 8 bis 13 Uhr. Wir zahlen gut, wir haben viele Boni und uns ist auch an familienfreundlichen Arbeitszeiten gelegen. Aber irgendwann ist Schluss, es ist schließlich ein Geben und Nehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern."
Christofczik hat beschlossen, auf überzogene Forderungen nicht mehr einzugehen und appelliert auch an die Träger: "Bei zu dreisten Forderungen sollten wir absagen." Mancher mag einwenden, das könnten sich Betreiber in Zeiten des Fachkräftemangels nicht leisten. Doch Christofczik ist überzeugt, dass es sich letztlich auch nicht lohnt, solche Bewerber einzustellen. Seine Argumente:
- Es gefährdet den Betriebsfrieden, wenn die Neuen Gratifikationen wie einen Laptop erhalten, aber nicht die altgedienten Mitarbeiter, die dem Betrieb gegenüber auch in schwierigen Zeiten loyal geblieben sind. "Es ist ungeheuer wichtig, dass alle gleich behandelt werden", sagt Christofczik.
- Man kann Bewerber auch durch "einen angenehmen Spirit", sprich, einen solidarischen Umgang miteinander, überzeugen. Zählt das für die Bewerber nicht, besteht die Gefahr, dass dieser Spirit nach und nach ausgehöhlt wird.
- Auch betriebswirtschaftlich ist es nicht nachhaltig, auf überzogene Forderungen einzugehen. "Die Bewerber, die da gerade einen Laptop rausgehandelt haben, sind in der Regel auch diejenigen, die sich nicht auf ein Unternehmen einlassen und relativ schnell wieder verschwinden."
"Der Fachkräftemangel ist so groß, dass wir heute dazu tendieren, Leute einzustellen, die wir vor acht Jahren noch nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen hätten. Aber ich lasse lieber eine Stelle frei, als sie mit einem schlechten Gefühl zu besetzen", sagt Christofczik.
Die Evangelischen Dienste Duisburg haben 2.500 Mitarbeiter und unter anderem 16 Pflegeheime mit knapp 1.600 Plätzen, 285 Seniorenwohnungen mit Service sowie ambulante Pflegedienste mit insgesamt 1.100 Klienten.
Kirsten Gaede