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9. August 2023 | 07:00 Uhr
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"Wir haben in 180 Tagen 3.800 Bewerbungen bekommen"

aiutanda kennt keinen Personalnotstand, unter dem die meisten anderen Pflegeeinrichtungen leiden. Wie der drittgrößte private Anbieter in Deutschland Bewerber auf sich zieht, welche Rolle Nachhaltigkeit spielt und was er von seinen Mitarbeitern bei der Digitalisierung abverlangt, erzählt aiutanda-Gründer und Chef Christoph Schubert im zweiten Teil des Interviews mit Care-vor9-Chefredakteur Thomas Hartung. 

auitanda Bewerberkampagne Zebra-Motiv

Ein Motiv der erfolgreichen Bewerberkampagne, mit der aiutanda auf Social-Media-Kanälen wie Facebook oder Instagram unterwegs ist

Das größte Problem der Pflegebranche ist der Personalmangel. Einrichtungen schließen ganze Etagen oder gleich komplett, Pflegedienste lehnen Kunden ab oder geben auf. Wie geht aiutanda damit um?

aiutanda hat kein Personalproblem! Wir haben in den letzten 180 Tagen 3.800 Bewerbungen erhalten und davon rund 400 Mitarbeiter eingestellt.

Wie geht das, zahlen Sie Traumgehälter?

Nein, das tun wir nicht. Das liegt daran, dass wir ein moderner Arbeitgeber sind und an das Thema Personal komplett anders herangehen: Es gibt 600.000 Pflegekräfte in Deutschland, und wenn ich mit unserem Konzept nicht 10.000 davon begeistern kann, dann liegt das Problem bei mir.

Wenn ich nicht more sexy bin als Caritas, brauche ich nicht anzutreten

Was ist es dann?

Wenn ich nicht more sexy bin als Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt oder Rotes Kreuz, dann brauche ich erst gar nicht anzutreten. Wir sind digital, wir sind fancy, wir sind pink, zusammen einfach attraktiver. Es ist auch so, dass wir nicht darauf warten, dass sich Mitarbeitern bei uns bewerben. Wir gehen in den Social-Media-Kanälen wie Instagram oder Facebook auf sie zu, sprechen sie aktiv an und sagen, bewirb‘ Dich bitte bei uns.

Geld spielt keine Rolle?

Doch natürlich auch. Das Tariftreuegesetz ist das Beste, was uns passieren konnte. Jetzt können wir endlich im Vergleich zu Caritas und Diakonie gleiche Gehälter bezahlen. Das Argument Geld zählt nicht mehr, bei uns verdienen die Kollegen das gleiche wie bei der Caritas, das für uns relevante Klientel sogar mehr. Wohlfahrtsorganisationen wie Caritas haben eine sehr steile Gerade bei Gehaltsteigerungen mit zunehmendem Alter. Dort ist das Ausstiegsgehalt fast doppelt so hoch wie das Einstiegsgehalt. Wir machen diese Kurve etwas flacher und sind damit besonders für die Jüngeren interessant.

aiutanda Spielkonsole Pflegerin Bewohner.jpg

Neben den Prozessen hält bei aiutanda auch beim Spielen die Digitalisierung Einzug

Was bedeutet Nachhaltigkeit für aiutanda?

Das ist bei uns ein Chefthema und mir sehr wichtig. Wir haben für Nachhaltigkeit, ESG Compliance und Diversität eine eigene Stelle dafür eingerichtet.

Was tun Sie konkret für die Nachhaltigkeit?

Das fängt im Kleinen an. Wir fahren zum Beispiel Zug, wenn wir fliegen müssen, wird das CO2 kompensiert. Wir haben ein digitales Büro ohne Papier. In den Einrichtungen legen wir einen Fokus auf Müllkonzepte, was ein großes Thema ist. Wir stellen unsere Flotte sukzessive auf Elektroautos um.

Wer bei der Digitalisierung nicht mitzieht, ist nicht der richtige für uns

Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei aiutanda?

Mir ist wichtig, dass alle auf dem gleichen Stand sind und über dasselbe reden. Ob Bewerberzahlen, Einstellungsraten, Durchflusszeiten, Belegungsarten – jeder kann die Charts auf dem Bildschirm aufrufen. Was da steht, das ist die Wahrheit und darüber gibt es keine Diskussion. Zunächst geht es darum, Geschäftsprozesse digital abzubilden. Das machen wir mit Connext Vivendi. Dann muss man das System einführen und vor allem dafür sorgen, dass es auch genutzt wird – mit allen Modulen, die vorhanden sind.

Ziehen Ihre Mitarbeiter da mit?

Ja und nein. Wenn nein, dann ist der Mitarbeiter leider nicht der richtige für uns. Denn wir sind ein digitales Unternehmen. Zuhause bei Amazon bestellen und bei uns die Dokumentation nicht auf dem iPad machen – das passt für mich irgendwie nicht zusammen.

Schubert Christoph aiutanda Geschäftsführer 3

Christoph Schubert ist Gründer und Chef von aiutanda, dem drittgrößten privaten Pflegeanbieter in Deutschland. Die Ingenieur war Marineoffizier, Unternehmensberater bei McKinsey und Manager in der Automobilindustrie. Sein Einstieg in diese Pflege war die Gründung der Deutschen Fachpflege im Jahr 2011, die er nach fünf Jahren verkaufte. Nach einer Auszeit und Weltreise gründete Schubert 2017 mit vier Partnern aiutanda. Die schnell wachsende Gruppe mit derzeit 2.600 Mitarbeitern und mehr als 6.000 hilfsbedürftigen Kunden führt er alleine, die andere Gesellschafter sind nicht bei aiutanda aktiv. Die Zentrale der Gruppe liegt im Herzen von München, der Marienplatz ist gleich im die Ecke.

Gestern ist der 1. Teil des Interview mit Christoph Schubert erschienen: "Wir wollen Probleme lösen und nicht Menschen aufbewahren". Morgen folgt Teil 3 über Branchenthemen, Lobby-Arbeit, die Pflegepolitik und Schuberts Vision von der Pflege.

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