Pflegende brauchen dringend Nachsorge nach Gewaltattacken
Fast 70 Prozent aller Pflegefachkräfte haben schon einmal körperliche Gewalt erlebt. Trotzdem fänden Nachbesprechungen im Anschluss an Gewaltvorfälle noch immer viel zu selten statt, kritisiert die Präsidentin der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen (NRW), Sandra Postel. Das sei aber wichtig, damit Pflegende am Ende nicht den Beruf verlassen.
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Spektakuläre Fälle von Gewalt gegen Pflegefälle treten vor allem in Krankenhäusern auf – wie zuletzt Elisabeth-Krankenhauses Essen, wo Angehörigen eines gerade verstorbenen Patienten sechs Mitarbeiter angegriffen und verletzt haben. Doch in einer Mitgliederbefragung der Pflegekammer NRW hat sich gezeigt, dass körperliche Gewalt in der Altenpflege mit 84 Prozent sogar überdurchschnittlich häufig auftritt. Über alle pflegerischen Bereiche hinweg waren es 69 Prozent, die in der vom Allensbach Institut Ende 2023 durchgeführten Befragung angegeben hatten, in den zurückliegenden zwölf Monaten mindestens einmal körperlich Gewalt erlebt zu haben – Gewalt von Patienten, Bewohnern, Angehörigen oder auch Kollegen.
Mikrotraumata können sich im Laufe der Jahre summieren
Wegen des Vorfalls in Essen appelliert die Pflegekammer NRW noch einmal ausdrücklich an Arbeitgeber, das Thema Gewalt gegen Pflegekräfte ernst zu nehmen. Wenn auch nicht alle Vorfälle derartig brutal wie der im Elisabeth-Krankenhaus oder in der Notaufnahme in der Silvesternacht im Sana Klinikum Lichtenberg sind: "Jede körperliche oder auch verbale Attacke ruft möglicherweise ein zunächst kaum spürbares Mikrotrauma hervor. Die kleinen psychischen Verletzungen können sich aber über die Jahre festsetzen und zu der Entscheidung führen, den Beruf zu verlassen“, sagt Postel. Deshalb seien Nachbesprechungen nach Gewaltvorfällen so wichtig. Leider gebe es sie noch viel zu selten.
Manchmal hilft nur noch ein Betretungsverbot
Letztlich sind Arbeitgeber sogar dazu verpflichtet, alles zu unternehmen, um die psychische und körperliche Unversehrtheit ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten. Denn Beschäftigte haben einen Anspruch auf den Schutz ihrer Gesundheit am Arbeitsplatz. Der Schutz kann in bestimmten Fällen so weit gehen, dass der Arbeitgeber dafür sorgen muss, dass Personen mit nachweislich schädigendem Verhalten vom Arbeitsort entfernt werden.
Das ist aber gerade in Pflegeheimen gar nicht immer so leicht: "Wir hatten einen Fall, in dem wir ein Betretungsverbot ausgesprochen haben", erzählt Geschäftsbereichsleiter Pflege und Leben von der Diakonie Stiftung Salem, Carsten Wöhler. "Um es wirklich durchzusetzen, mussten wir aber die Heimaufsicht einbeziehen. Aber es war möglich und wir konnten verhindern, dass die betroffenen Mitarbeiter sich gezwungen sahen, ihren Arbeitsplatz aufzugeben."
Kirsten Gaede