Pflegekräfte anwerben "neue Form des Kolonialismus"
Die Anwerbung internationaler Pflegekräfte hat eine Kehrseite. Reiche Länder würden die Ausbildung an arme Länder outsourcen, ohne dafür zu bezahlen, so der Vorwurf. Howard Catton, CEO des International Council of Nurses (ICN), nannte das Recruiting jüngst auf einer Fachtagung in Ruanda sogar "eine neue Form von Kolonialismus". Die wohlhabenden Länder sollten selbst in die Ausbildung von Pflegefachpersonal investieren.
"Die internationale Rekrutierung von Pflegekräften ist in den letzten Jahren außer Kontrolle geraten", sagt auch ICN-Präsidentin Pamela Cipriano. "Durch die Rekrutierung erfahrener Pflegefachkräfte aus ärmeren Ländern lagern wohlhabende Staaten die Kosten für die Ausbildung faktisch aus und bekommen ihre ausgebildeten Pfleger günstig und ohne jegliche Rückerstattung."
Dieses Verhalten habe mittlerweile in vielen Ländern verheerende Folgen, weil dort große Lücken im Gesundheitssystem entstünden. Cipriano verweist auf die ethischen Rekrutierungsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation, die strikt befolgt werden müssten.
Als Beispiel nennt das ICN Gambia. Dort hätten in einem großen Lehrkrankenhaus allein im vergangenen Jahr 53 der 300 registrierten Krankenpfleger gekündigt, um ins Ausland zu gehen, berichtet Baboucarr Cham, Präsident des gambischen Pflegeverbands. Das verursachte in Gambia viele Probleme.
Cham fordert von den rekrutierenden Ländern, dass sie zumindest etwas zurückgeben. "Wenn sie eine Krankenschwester abwerben, sollten Sie dafür bezahlen, zwei Krankenschwestern auszubilden." Und Cham liefert einen Vergleich: in Gambia kämen 0,9 Pflegefachkräfte aus 1.000 Einwohner, in Großbritannien seien es 9,2.
Thomas Hartung