Ohne Eingreifen der Politik droht ein Heimsterben
"Wir rauschen ungebremst in die Versorgungskatastrophe, wenn die Politik weiterhin tatenlos zuschaut", sagt Thomas Greiner (Foto), Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege. "Sie muss jetzt in den Krisenmodus schalten und handeln, sonst wird es in Deutschland ein Heimsterben geben." Begonnen hat es schon: Vier Seiten füllt eine Liste mit Schließungen und Insolvenzen von rund 200 Pflegeeinrichtungen seit Jahresbeginn, die Greiner auf einer Pressekonferenz in Berlin vorlegte.
Das Sterben von Pflegeheimen und Pflegediensten trifft nicht allein die privaten Anbieter, sondern alle Träger, wie die Liste des Verbands belegt. Dabei sei dies nur eine Auswahl, nämlich die Schließungen und Insolvenzen, die in der Presse landeten. In Wahrheit dürften es noch mehr sein. "Die Lage der Altenpflege ist ernst", sagt Greiner, "aber in Politik, Medien und breiter Öffentlichkeit ist es noch nicht wirklich ankommen".
"Der Staat mit Finanzhilfen einspringen"
"Die Pflegeunternehmen schreiben Verluste, die zu katastrophalen Konsequenzen führen", beschreibt der Verbandspräsident die Lage und fordert ein grundsätzliches Umdenken. "Die Debatte über die Altenpflege braucht mehr Realismus und weniger Wunschdenken."
Corona und Personalmangel hätten dazu geführt, dass die Belegung der Einrichtungen zu niedrig ist und die Einnahmen wegbrechen. Durchschnittlich seien nur 82 Prozent der Plätze seiner Mitgliedsunternehmen belegt. Um die gesetzlich vorgeschriebene wirtschaftliche Betriebsführung zu ermöglichen, seien aber mindestens 96 Prozent notwendig. "Hier muss der Staat mit Finanzhilfen einspringen, sonst droht ein Heimsterben." Und man müsse weg von Belegungszahlen als Berechnungsgrundlage, die nicht erreichbar seien.
"Wir müssen die Personalvorgaben fleibilisieren"
"Alle reden vom Arbeitskräftemangel, aber in der Altenpflege werden Personalvorgaben gemacht, als gäbe es in den Heimen eine Bewerberschwemme", kritisiert Greiner. "Hier wird mit Phantom-Pflegekräften geplant bis zum bösen Erwachen, wenn die Betreiber wegen Personalmangel das Heim schließen müssen."
Schon jetzt führe der Fachkräftemangel dazu, dass frei gewordene Pflegezimmer und Betten nicht neu belegt werden könnten. Für leere Betten erhielten die Pflegeeinrichtungen aber kein Geld, sondern müssten Miete und Instandhaltungen allein tragen. "Der Goldstandard beim Personal passt nicht mehr zur Realität. Da wir die Realität nicht ändern können, müssen wir die Personalvorgaben verändern und flexibilisieren."
"Dreigestirn der Gesetzlosigkeit"
Scharf geht Greiner mit Ländern, Kommunen und Kostenträgern ins Gericht: "Die Pflegekassen müssen die Leistungen der Pflegeanbieter so vergüten, dass ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist – tun sie aber nicht. Die Länder müssen die Investitionskosten von Pflegeeinrichtungen finanzieren – machen es aber nicht. Die Kommunen müssen einspringen, wenn Pflegebedürftige ihren Eigenanteil nicht mehr aufbringen können – lassen sich damit aber mehrere Monate Zeit und verweigern die Bezahlung der tatsächlichen Kosten."
"Dieses Dreigestirn der Gesetzlosigkeit trägt seinen Teil dazu bei, die Pflegeanbieter finanziell ausbluten zu lassen", legt Greiner nach. Gesetzlich vorgeschriebene Zahlungen kämen gar nicht oder viel zu spät bei den Betreibern an. Pflegeheime seien keine Banken, die über Monate Geld vorstrecken könnten. Sie brauchten jeden Euro, der ihnen zusteht, um sich in der Krise über Wasser zu halten.