In 127 Sekunden muss der Stützstrumpf sitzen
Hilferuf der Verbände aus Niedersachsen: Die flächendeckende Versorgung in der ambulanten Pflege sei massiv gefährdet. Schon jetzt müssten Pflegedienste Anfragen von Pflegebedürftigen ablehnen, die dringend auf professionelle Hilfe angewiesen seien. Hintergrund sei die Unterfinanzierung von Leistungen. Zum Beispiel bezahlten Kassen gerade mal 127 Sekunden für das Anziehen eines Kompressionsstrumpfes.
Die wirtschaftliche Situation der ambulanten Pflegedienste in Niedersachsen habe sich dramatisch verschlechtert, moniert der Bundesverband Ambulante Dienste (BAD). 84 Prozent der Pflegedienste haben Existenzsorgen, 89 Prozent beklagen eine deutliche Unterfinanzierung ihrer Leistungen. Schon jetzt würden Pflegedienste nahezu täglich Anfragen von Menschen ablehnen, die dringend auf professionelle Hilfe angewiesen seien.
Eine wesentliche Ursache für die erheblichen Schwierigkeiten sehen die Verbände in den Vergütungen, die die Pflegedienste für ihre Leistungen von den Krankenkassen erhalten. Sie seien nicht in dem Maße gestiegen, wie die vorgeschriebenen Löhne der Pflegekräfte. Daraus folge, dass Pflegekräfte heute deutlich weniger Zeit pro Pflegebedürftigen zur Verfügung hätten.
Gerade einmal 230 Sekunden, also knapp vier Minuten, werden für die Medikamentengabe als einzelne Leistung finanziert, rechnet der BAD vor. Bei einem Besuch, der dem An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen dient, sind es sogar nur 127 Sekunden pro Bein. Qualitätsmanagement, Dokumentation, Verwaltung und Sachkosten seien gar nicht berücksichtigt. "Das ist inakzeptabel und führt zwangsläufig zu einer deutlichen Verschlechterung oder Einstellung der Krankenpflege."
Die Verbände in Niedersachsen machen jetzt Druck, weil am Dienstag die erste Verhandlungsrunde mit den Kassen über die neue Vergütung begonnen hat.
Thomas Hartung