Druck auf die Koalition wegen Pflegereform wächst
Der Ruf nach einer grundlegenden Pflegereform wird lauter und der Druck auf die Bundesregierung größer. "Eine Reform der Pflegeversicherung ist überfällig", so Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zur Ost-Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler. Wilfried Wesemann, Chef des Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege, findet es einen Skandal, dass das Thema nicht angepackt wird. DRK-Chefin Gerda Hasselfeld sieht die Versorgungssicherheit in Gefahr.
Sachsens Regierungschef Kretschmer (CDU) fordert als eine erste Maßnahme zur Entlastung der Pflegeversicherung die Übernahme versicherungsfremder Leistungen durch den Bundeshaushalt mahnt aber auch eine grundsätzliche Reform an. "Die Kosten in der Pflege steigen weiter", so Kretschmer gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Pflegebedürftige werden nach langer Erwerbstätigkeit im Ruhestand zu Sozialhilfeempfängern", so der Ministerpräsident. Dies sei "inakzeptabel". Pflege im Alter dürfe keine Frage des Geldbeutels sein.
"Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet"
Damit steht Kretschmer nicht allein. "Die Situation ist bei den Einrichtungen äußerst besorgniserregend", beklagt auch DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt im Interview mit der Frankfurter Rundschau die unterfinanzierte Pflegeversicherung, die dazu führe, dass zum Beispiel Lohnsteigerungen nicht gegenfinanziert würden. "Deshalb müssen viele stationäre wie ambulante Einrichtungen Dienste reduzieren und Abteilungen oder teilweise sogar ganze Häuser schließen, sodass die Versorgungssicherheit nicht mehr flächendeckend gewährleistet werden kann, wenn nicht gegengesteuert wird."
Auch sie fordert, die Pflegeversicherung von Zahlungen zu befreien, die aus anderen Töpfen finanziert werden müssten, zum Beispiel die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige. "Wir fordern eine grundlegende Reform und wollen die Finanzierung der Pflegeversicherung mit einem Sockel-Spitze-Tausch auf eine solide und planungssichere Basis stellen." Pflegebedürftige sollten je nach Pflegegrad eine Pauschale bezahlen und was darüber hinausgehe, die Pflegekasse. Heute ist es umgekehrt.
"Das hält das System nicht mehr aus"
Wilfried Wesemann, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Pflege (Devap), geht im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst EPD noch einen Schritt weiter. "Wir haben vorgeschlagen, die sogenannte Behandlungspflege, die in der stationären Pflege immer noch zulasten der Pflegeversicherung geht, von den gesetzlichen Krankenkassen übernehmen zu lassen – wie auch im ambulanten Bereich."
"Dass die Vielzahl von Problemen in der Branche, über die Tag für Tag in den Medien berichtet wird, nicht so schnell wie möglich angepackt werden, ist alarmierend", so Wesemann. Niemand erwarte von der Koalition in den verbleibenden 16 Monaten der Legislatur eine grundlegende Reform. "Aber dass nicht begonnen wird, erste vorbereitende Schritte zu unternehmen, ist skandalös." Dadurch verliere man zwei bis drei Jahre. "Das hält das System aber nicht mehr aus."