Brina will Premium-Servicewohnen zu normalen Preisen bieten
Graue Polster, tannengrüne Tische, hellgrüne Wände. Sehr geschmackvoll. Vermutlich können sich das nur Senioren mit Professorenpension leisten, denkt, wer die ebenfalls ansprechende Website von Brina besucht. Doch die Kosten sind ähnlich wie in vielen anderen Einrichtungen. Hinzu kommt: Wer hier pflegebedürftig wird, muss nicht ausziehen oder umziehen auf eine Pflegestation. Er wird in seinem Apartment gepflegt. Im Interview mit Care vor9 erklärt Geschäftsführer Can Chory (Foto), warum sich das Konzept rechnet.
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Auf der Website von Brina gibt es ein Foto der beiden Geschäftsführer Can Chory und Jonas Feldmann. Wie die Gründer eines Start-ups sehen sie aus: Rundhals-Pulli statt Hemd und Jacket, sonniges Lächeln statt verschränkter Arme. Sie wirken, als hätten sie gerade die Altenpflege als ihr neues Geschäftsfeld entdeckt. Doch der Eindruck täuscht: Chory, 41, hat in der Altenpflege bereits eine Karriere hingelegt. Nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger arbeitete er in der außerklinischen Intensivpflege, landete er bei Bonitas und ihrer Schwesterfirma Deutsche Fachpflege. Zum Schluss gehörte er dort zur Gesamtgeschäftsführung.
2021 scherte Chory aus: Zusammen mit Jonas Feldmann baute er die Gruppe Aveo Physio auf – und kehrte mit ihr dann doch schnell wieder zur Altenpflege zurück. Und hier beginnt die Geschichte von Brina: Pro Urban, einst Gesellschafterin eines Heimbetreibers, wird zum Bauträger mit Design-Ambitionen. Der entwickelt ein spezielles Konzept für Seniorenwohnen, die Wohnanlage Brina, die Chory und sein Partner gemietet haben.
Care vor9: Herr Chory, bei Bonitas hatten Sie 10.000 Mitarbeiter, bei Brina sind sie heute für 200 Mitarbeiter verantwortlich. Warum haben Sie in gewisser Weise noch einmal von vorn angefangen?
Can Chory: Nach dem Ausstieg bei der deutschen Fachpflege war es mir besonders wichtig, etwas Neues und Sinnstiftendes zu gestalten. Das Haus Brina als echte Alternative zur konventionellen stationären und ambulanten Altenpflege war für mich perfekt.
Was macht Brina, das andere nicht machen?
Brina ist eine Servicewohnanlage, die Senioren außergewöhnlich viel Sicherheit bietet. Denn normalerweise ist diese Wohnform nur mit einem sehr begrenztem Pflegeangebot verknüpft. Wer richtig pflegebedürftig wird, muss dann sein Apartment verlassen und auf eine Pflegestation – derselben oder einer anderen Einrichtung – ziehen. Wir bieten Unterstützung bis zur Vollpflege, wir haben Pflegefach- und Hilfskräfte vor Ort aus dem eigenen Bestand und bieten auch Tagespflege an. Bei Brina können Senioren sogar mit Pflegegrad 4 oder 5 einziehen. Die Hälfte unserer Bewohner kommt aus der akuten Pflegebedürftigkeit, sie können sich etwa nach einem Schenkelhalsbruch nicht mehr selbst versorgen.
Unsere Kunden haben also das Beste aus zwei Welten: Sie sind unabhängig wie in einer Seniorenresidenz und können das Haus verlassen, wann immer sie möchten, ohne sich abzumelden wie in einem Pflegeheim. Gleichzeitig wissen sie, dass sie im Falle von Pflegebedürftigkeit in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.
Gilt das auch für Menschen mit Demenz?
Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist es nicht immer möglich, demenziell veränderte Menschen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zu versorgen. Wenn die Mieter bereits bei uns sind und an einer Demenz erkranken, lässt sich der Mensch mit seiner Veränderung ganz gut integrieren, hierfür haben wir beispielsweise verschiedene High-Tech Sensoren im Zimmer verbaut, die die Pflegekräfte bei Bedarf unterstützen, etwa bei Störungen des Tag-Nachtrhythmus in Kombination mit Hinlauftendenzen.
Was wir nicht leisten können, ist, schwer demenziell Erkrankte aufzunehmen. Sie haben dann keine Möglichkeit mehr, sich einzugewöhnen und sich zu integrieren. Vielleicht kennen Sie das Buch von Teun Toebes "Der 21-Jährige, der freiwillig in ein Pflegeheim zog und von seinen Mitbewohnern lernte, was Menschlichkeit bedeutet". Langer Titel, aber sehr lesenswert. Teun beschreibt, dass es eher eine Gemeinschaft bedarf als geschlossener Türen, um Menschen mit derartigen Veränderungen zu begleiten. Wir versuchen, diesen Ansatz zu verfolgen.
Eine sehr stylische Umgebung ist das, in der Ihre Kunden leben…
Ja, eine schöne, wohnliche Umgebung gehört für uns mit zur Grundlage der Altenpflege. Ich habe mit meiner Freundin Ostern ihre Oma im Pflegeheim besucht und fand es fürchterlich, es sah aus wie im Krankenhaus: kahle, weiße Wände, gefliester Fußboden, so clean und steril. Es wird leider oft gar nicht daran gedacht, dass das Altenheim für die Bewohner das Zuhause ist, wo sie Besuch empfangen und oft auch noch neue Freundschaften knüpfen.
Wie kriegen Sie es hin, dass Ihre Bewohner bei Pflegebedürftigkeit in Ihrem Apartment bleiben können? Ist das nicht sehr personalaufwendig?
Das ist eigentlich kein Problem, auch auf einer Pflegestation sind die Pflegekräfte ja nicht ständig im Zimmer präsent. Bei vielen unserer Bewohner reicht es, wenn sie beispielsweise ein oder zwei Mal am Tag nach dem Rechten sehen oder hören. Hinzu kommt: Die barrierefreien Zimmer sind nicht nur mit einem Hausnotrufsystem ausgestattet: Für bestimmte Ereignisse, etwa Sturz, sind die Zimmer smart ausgerüstet mit Sensoren, die wir bei Bedarf scharf schalten können.
Wie viel Eigenanteil muss denn ein pflegebedürftiger Bewohner mit Pflegegrad 4 bei Ihnen zahlen?
In Nordrhein-Westfalen beträgt der durchschnittliche Eigenanteil, zuletzt berechnet, circa 3.000 Euro. Inzwischen liegt er wohl bei 3.300 Euro – das ist auch die Summe, die pflegebedürftige Bewohner bei uns bezahlen. Darin ist dann aber wirklich alles enthalten, auch das Essen aus unserem Restaurant, die Wäsche etc..
Wie schaffen Sie das?
Da kommen verschieden Faktoren zusammen. Zunächst: Wir haben keinen Indexmietvertrag. Da haben wir sehr drauf geachtet, denn der hat viele Pflegeanbieter in der letzten Zeit in die Bredouille gebracht. Ein weiterer Vorteil: Da wir kein Heimbetrieb sind, sind wir in der Größe nicht begrenzt, in der ambulanten Pflege gibt es kein Limit. Wir haben hier in Düsseldorf-Heerdt 245 Apartments. Als Altenheim wären uns in Nordrhein-Westfalen mehr als 80 Plätze nicht gestattet.
Aber Pflegepersonal brauchen Sie auch…
Ja, und das ist durch das Tariftreuegesetz auch noch mal deutlich teurer geworden. Aber wir können viel flexibler agieren als ein Heim: Bei uns können wir Pflege und Betreuung individuell schneidern, wir brauchen immer nur das anzubieten, was ein Bewohner wirklich braucht. Und: Wenn wir beispielsweise gerade nicht so viele Bewohner haben, können wir auch das Personal runterfahren. Wir sind nicht gezwungen, Leistung vorzuhalten und mit der Gießkanne zu verteilen. Das ist viel, viel kosteneffizienter.
Und wie sieht Ihre Bilanz bisher aus?
Wir haben Ende 2022 mit dem Haus Brina das erste Objekt eröffnet und werden Ende 2024 mit zehn Millionen Euro Umsatz rausgehen – darin ist auch der Erlös aus den vier Physiotherapiepraxen der Holding in Ostwestfalen berücksichtigt.
Sind Sie damit zufrieden?
Ich bin damit sehr zufrieden. Das Haus Brina in Düsseldorf ist unsere erste Wohnanlage. Wir haben hier sehr viel gelernt und tun es auch immer noch. Ich mag auch sehr das Miteinander mit den Mietern. Wir treffen uns beispielsweise alle zwei Wochen zur Mecker-Runde. Da gibt es direkte Kritik und natürlich auch Lob. So können wir schnell reagieren.
Haben Sie Wachstumspläne?
Ja, am 1. April eröffnen wir in Osnabrück mitten in der Stadt 203 neue Wohneinheiten neben dem Sparkassengelände. Das wird eine sehr gemischte Anlage, es wird auch Wohnungen für Studenten geben und für jüngere Pflegebedürftige, die in den Behindertenwerkstätten arbeiten.
Das Interview führte Kirsten Gaede