Pflegebranche dringt bei Lauterbach nicht wirklich durch
"Das ist eine Notsituation", beschreibt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (Foto) die Entwicklung in der Altenpflege. In den nächsten 15 Jahren schieden fünf Millionen Menschen aus dem Berufsleben aus und die Zahl der Pflegebedürftigen steige auf sieben Millionen. Gleichzeitig werde sich das Angebot an Pflegeleistungen verknappen. Geld zum Gegensteuern habe der Minister mit Verweis auf den Sparhaushalt der Regierung nicht, so Lauterbach zur Eröffnung des Altenpflege-Kongresses. Und so ging der Minister erst gar nicht auf die drängenden Appelle der Branchenvertreter ein.
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Mehr Pflegebedürftige heißt mehr Ausgaben, stellte Diakonie-Vorständin Maria Lohheide nüchtern fest. "Die Pflegeversicherung gerät in eine totale Sackgasse", entgegnete sie in der Eröffnungsrunde dem Minister. "Wir brauchen ganz dringend eine Pflegereform, die auch die Finanzierung mit in den Blick nimmt."
Dabei gebe es kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsdefizit der Politik. "Die Pflegeversicherung finanziert gesamtgesellschaftliche Aufgaben, 5,5 Milliarden Euro Corona-Maßnahmen und 3,5 Milliarden Euro für die Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen." Ohne diese Ausgaben sähe die Pflegeversicherung heute besser aus.
"Es bedarf eines ganzen Bündels von Maßnahmen", sagte Loheide und nannte beispielhaft die Übernahme der Behandlungskosten im Heim durch die Krankenkassen und die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf Rentenversicherungsniveau.
Stephan Baumann, Vorsitzender des Verbands Deutscher Alten- und Behindertenhilfe, forderte von Lauterbach angesichts der Insolvenzwelle in der Pflege die kurzfristige Sicherung der Liquidität. "Die Untätigkeit der Kassen darf nicht folgenlos bleiben." Lauterbach solle in sein Pflegekompetenzgesetz einen Anspruch auf Wagnis und Gewinn für die Unternehmen einbauen.
Norbert Grote, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, ergänzte den Wunschzettel um ein Comeback des Altenpflegeberufs und eine Regulierung der Leiharbeit, um die Goldgräberstimmung in diesem Bereich zu beenden.
Eine Diskussion mit Lauterbach über einzelne Punkte der Verbandsvertreter kam nicht zustande. Auch Loheides Frage nach seinen nächsten Schritten zur Sicherung der Versorgung blieb unbeantwortet. Der Minister war danach kurz angebunden. "Die Vorschläge sind zum Teil nicht neu und wir werden sie in unserem Haus gemeinsam mit Ihnen diskutieren", sagte Lauterbach und verabschiedete sich.
Zu Beginn hatte der Gesundheitsminister eingeräumt, dass die Pflegeversicherung neu aufgestellt werden müsse. "Wir arbeiten auch an einer Finanzierungsreform." Wann die kommen soll, ließ der Lauterbach offen. Seiner Meinung nach könne nicht alles über Beiträge finanziert werden. "Ich persönlich glaube, dass wir hier langfristig ohne eine steuerfinanzierte Absicherung der Pflegeversicherung nicht hinkommen werden."
Thomas Hartung