Koalition auch über Pflegeversicherung völlig zerstritten
Die Regierungsparteien haben keinen gemeinsamen Plan für die Zukunft der Pflegeversicherung. Sie sind komplett zerstritten und demonstrierten das auch ganz offen auf dem "Pflegegipfel 2024" des Verbands der Privaten Krankenversicherungen (PKV). Die Dramatik der Situation scheint den Politikern zwar bewusst zu sein, eine baldige Lösung bei komplett entgegengesetzten Positionen, wo die Milliarden herkommen sollen, aber schwer vorstellbar.
Wie bei anderen Themen stellt sich auch bei der Zukunft der Pflegeversicherung die FDP quer. "Wir können nicht immer mehr Steuergelder in das System reinpumpen", sagt Christine Aschenberg-Dugnus, Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion. Für sie stößt Umlagefinanzierung an Grenzen. "Wir haben von Anfang an gewusst, dass die Pflegeversicherung nicht alles abdeckt. Es bleibt ein Anteil, den man privat bezahlen muss." Sie will kapitalgedeckte Bausteine haben. "Wir müssen privat was dafür tun."
SPD auf Konfrontationskurs mit Freien Demokraten
Die Kanzlerpartei sieht das komplett anders. Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, will die gesetzliche und private Pflegeversicherung zusammenlegen. "Ich glaube, wenn alle Erwerbstätigen in das gleiche System einzahlen würden, wäre die Pflegeversicherung sehr viel leistungsfähiger." Das Umlagesystem sei zukunftsfähig, so Baehrens. Ihr Ziel ist die Vollversicherung für die Pflege, wofür auch der Steueranteil steigen müsse.
Maria Klein-Schmeink, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, will eine Vollversicherung für die reinen Pflegekosten und pocht auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, versicherungsfremden Leistungen aus der Pflegeversicherung herauszunehmen, die Rentenbeiträge von pflegende Angehörigen, die Ausbildungskosten und Corona-Kosten, die dort abgeladen worden sind. "Das gehört nicht da rein." Ohne diesen Ballast hätte die Pflegeversicherung weniger Probleme. Ansonsten fordert sie mehr Augenmerk auf die häusliche Pflege, wo vier von fünf Pflegebedürften betreut würden, und die Versorgungssicherheit. "Es kann nicht sein, dass wir es dem Markt überlassen, ob jemand mit hohem Pflegebedarf überhaupt ein Angebot findet."
Opposition schlägt Drei-Säulen-Modell vor
Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, konnte sich bei der Diskussionen fast zurücklehnen. "Die Ampel regiert jetzt zwei Jahre und wir warten immer noch auf stichhaltige Vorschläge, wie die Pflegeversicherung nachhaltig gestaltet werden kann." Sie sei nie als Vollversicherung gedacht gewesen. Wenn das komme, müsse die Sozialabgabenlast auf bis zu 60 Prozent steigen. "Das können Sie niemanden mehr erklären." Die Union schlägt drei Säulen vor, neben der jetzigen Pflegeversicherung, betriebliche Vorsorge und private Zusatzversicherungen.
Das Modell der Veranstalter der Diskussionsrunde findet bei keiner Partei Zustimmung. Die PKV schlägt die Einführung einer verpflichtenden, kapitalgedeckt finanzierten Zusatzversicherung vor. Sie soll 39 Euro pro Monat kosten, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern je zur Hälfte bezahlt werden und die Lücke des Eigenanteils in der stationären Pflege abdecken. Die CDU ist gegen die Pflicht, die FDP will die Arbeitgeber nicht weiter belasten, die SPD das System nicht noch komplexer machen und die Grünen sehen darin keine Lösung für die Pflege zu Hause.
Thomas Hartung